Bedürfnisse in Produkte verwandeln!
Qualitätswerkzeug vertreiben ohne fachkompetenten Handel? «Geht nicht! Schon gar nicht bei der Päckliflut aus Fernost!» Denn Druck erzeugt – und verlangt (!) – Gegendruck, konkret den engen Schulterschluss in der Lieferkette. «Ausserdem wird der Faktor Mensch im Geschäft wichtiger!»
Erschienen in der perspective im Juni 2025
Dieser Artikel ist Teil der Serie «Stimme aus der Branche». Hier kommen Expertinnen und Experten aus der Branche persönlich zu Wort. Sie geben Einblick in branchenspezifische Entwicklungen oder nehmen Stellung zu aktuellen Themen, was zu einem besseren Verständnis der Branchenmechanismen und zur allgemeinen Innovationsförderung beiträgt.
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Luciano Michelacci ist Managing Director Switzerland bei der KRAFTWERK Schweiz AG mit Sitz in Mönchaltorf. Der gelernte Maschinenmonteur hat sich umfassend in den Bereichen Betriebswirtschaft und Vertrieb weitergebildet und sein Wissen in verschiedenen Funktionen innerhalb der Telekommunikations- und FMCG-Branche (Fast moving Consumer Goods) erfolgreich eingebracht. Zudem ist er Experte bei Eidgenössischen Prüfungen für Marketing- und Verkaufsfachleute. KRAFTWERK wurde als Schweizer Unternehmen 1979 in Mönchaltorf gegründet. Das Schweizerkreuz ist im ersten «K» des Namenszuges erkennbar. Das Geschäft brummte seinerzeit vor allem mit Werkzeugkoffern. Heute ist das Unternehmen im Raum CH-D-F mit eigenen Landesniederlassungen aktiv und hat Vertretungen in drei Kontinenten. Im optimalen Preis-Leistungsverhältnis sieht es sein Primärziel und die eigentliche Marktberechtigung. KRAFTWERK führt Werkstattwagen im Sortiment, die vollumfänglich in Deutschland hergestellt werden. Seinerzeitige Qualitäts- und Lieferprobleme bei Produkten aus fernöstlicher Fertigung hatten zum Zukauf eines deutschen Traditionsherstellers geführt. |
«Um im internationalen Wettbewerb zu bestehen, sollten wir die Schweizer Werkzeugbranche kontinuierlich weiterentwickeln.»
perspective: Herr Michelacci, die Hardware liegt hinter uns, die Branche war in Luzern weitgehend präsent: Wo steht der Werkzeughandel aktuell?
Luciano Michelacci: Zunächst bin ich froh, dass wir wieder bei der Hardware dabei waren. So viele und so gute Kundenkontakte in drei Tagen gibt es nur in Luzern. – Und generell, ja: Viel ist in Bewegung! Wir sehen eine Flut von Direktimporten aus China, auch von Werkzeug. Vor allem private Gelegenheitskunden setzen auf teilweise unglaublich günstige Angebote. Dabei zählt allein der Preis. Qualität, Service, Beratung, Nachhaltigkeit oder das Funktionieren unserer Wirtschaft und Gesellschaft sind kein Thema.
Das ist nicht ganz neu. Ihre Ideen zur Lösung?
Wir werden – und das gilt nicht nur für unsere Branche – immer mehr über Dienstleistungen ein eigenes Profil bekommen. Ich denke etwa an die Konfiguration nach Kundenwunsch. Sie ersetzt die importierte Standardware, wenn wir den Nutzen geschickt erkennbar machen. Bei uns gibt es bereits individuelle Gestaltungen von Schranksystemen für die Werkstatt und die kundenspezifische Ausrüstung von Werkstattwagen. Schaumstoffeinlagen nach Mass ebenfalls – auch für bestehende Fremdwerkzeuge. Dafür haben wir in Mönchaltdorf eine eigene Fräsanlage.
Gibt es weitere Wege zum eigenen Profil im Werkzeugmarkt?
Digitale Wartungs- und Nachbestellsysteme sind im Kommen. Ebenso das RFID-gestützte Tool-Tracking oder die cloudgestützte Werkzeugverwaltung zur Instandhaltung und Garantie. – Ich möchte aber auch auf den Faktor Mensch verweisen, mit dem wir uns ebenfalls gegen die Flut von Billigwaren wehren können.
Sie meinen damit?
Unsere Mitarbeitenden! Die angesprochene Individualisierung unseres Geschäfts braucht motivierte und fachkundige Personen, die gemeinsam mit den Kunden die bestmögliche Lösung ausarbeiten und umsetzen. Denn echte Beratung und enge Kundenbegleitung können wir weder aus Fernost importieren noch mit KI generieren.
Menschen für die Kundenbetreuung – klar. Und überall sonst sind sie ersetzbar?
Nein! Der Dienst am Kunden wird auch im Lager erbracht, im Innendienst, im Einkauf und in der Verwaltung. Es geht nicht nur um messbare Leistungen, sondern um die mentale Grundeinstellung: Kunden- und lösungsorientiertes Denken und Handeln sind unabdingbar für eine Weiterentwicklung unseres Geschäfts. Wir brauchen sie auf jeder Stufe, in jeder Funktion. Selbst unsere Reinigungs- und Hilfskräfte tragen mit dieser Grundhaltung zum Erfolg bei.
«Motivierte Mitarbeitende tragen den Geschäftserfolg entscheidend mit. Sie lassen sich weder aus Fernost importieren noch digitalisieren.»
Nochmal zum Geschäft 2025. Was ist aktuell zu beobachten?
Wir sehen immer mehr Dropshipment, auch Streckengeschäft genannt. Also den Warenfluss vom Lieferanten direkt zum Endkunden, mit Verrechnung über den Händler. Dieser verkauft die Produkte ohne Kapitalbindung und logistischen Aufwand. Neben Rechnung und Inkasso sehe ich seine Funktion immer mehr in Beratung und Vertrieb, im After Sale und im proaktiven Marketing für das Produkt. Weniger Ressourcen für die Logistik, mehr für den Markt! Dropshipment ist für Start-ups und kleine Unternehmen eine zentrale Chance, für etablierte Händler eine Ergänzung. Ich halte es für eine Win-win-Variante!
Dienstleistung statt Knochenarbeit also. Aber ist es wirklich ein Gewinn, wenn dabei die oft gerühmte Sofortverfügbarkeit für Endkunden ins Hintertreffen gerät?
Hier liegt wohl die Krux des Dropshipment. Kann der Lieferant nicht liefern, ist auch der Händler blockiert. Er muss die Reklamation für einen unverschuldeten Mangel auffangen, nach Ersatz suchen und allenfalls auch Haftungsfragen lösen.
Dropshipment birgt also auch Abhängigkeitsrisiken. Und die physische Begegnung mit dem Produkt geht dabei verloren – für den Kunden wie für den Händler.
Ja, die physische Warenpräsentation wird ihre Bedeutung behalten, und damit auch der stationäre Handel mit seiner gepflegten Ausstellung. Bei uns sind es zumeist die Werkstattwagen, die man vor dem Kauf real sehen, untersuchen und auf Tauglichkeit beurteilen will: Wir bieten «Qualität zum Anfassen» – was ich übrigens auch an der Hardware sehr positiv erleben durfte.
Dazu gerne noch ein Wort, bitte.
Wir waren länger nicht mehr an der Messe und konnten in diesem Jahr mit vielen Neuheiten wieder einmal teilnehmen. Die Messe war ein Riesenerfolg! Warum? Wegen der menschlichen Begegnung mit unseren Kunden und wegen des haptischen Erlebnisses mit unseren Produkten. Es hilft einfach, wenn der Handel 1:1 weiss, versteht und spürt, was er ins Sortiment aufnimmt und weitergibt. Die Hardware 2025 hat unsere Kundenbeziehungen gefestigt und neue möglich gemacht.
«Nach dem Lädelisterben wegen der Shoppingcenter schwingt das Pendel nun wieder zurück. Die Konsumtempel bekunden Mühe, die kleinen, persönlichen Läden um die Ecke leben wieder auf. Tragen wir also dem stationären Handel Sorge.»
Noch zum weiteren Rahmen: Wir hören sporadisch von einer deindustrialisierten Schweiz. Wissen unsere Kinder bald nicht mehr, was ein Hammer oder ein Gabelschlüssel ist?
(Lacht) Da habe ich keine Bedenken! Und um die Werkzeugbranche mache ich mir auch keine Sorgen. Die manuelle Arbeit wird künftig sogar an Ansehen gewinnen. Denn unsere Gesellschaft funktioniert nicht allein mit Bürojobs und digitalen Nerds. Zum Glück sehe ich immer öfter Junge, die es auf den Bau zieht. So auch einen Elfjährigen in meinem engsten Umfeld. Ein Schnuppertag auf dem Bau hat ihn richtig glücklich gemacht. Er berichtete voller Begeisterung, danach hat er – nudelfertig und zufrieden – zehn Stunden geschlafen. Darum meine Zuversicht: Solides «Hand-Werk» wird es immer brauchen, das
«Werk-Zeug» dazu ebenfalls!
Vielen Dank für Ihre Ausführungen – und dem kleinen Bauarbeiter alles Gute für die Zukunft!