«Wir brauchen den stationären Handel – auch in Zukunft!»
Die Genossenschaft «Zentraler Eisenwaren Einkaufs-Verband ZEEV» vertritt die gemeinsamen Interessen ihrer Mitglieder am Markt und fördert deren Leistungsfähigkeit: Im Kollektiv erreicht man bessere Konditionen, als wenn jeder einzeln am Markt agiert.
Erschienen in der perspective im Mai 2025
Dieser Artikel ist Teil der Serie «Stimme aus der Branche». Hier kommen Expertinnen und Experten aus der Branche persönlich zu Wort. Sie geben Einblick in branchenspezifische Entwicklungen oder nehmen Stellung zu aktuellen Themen, was zu einem besseren Verständnis der Branchenmechanismen und zur allgemeinen Innovationsförderung beiträgt.
Die ZEEV verwaltet das Genossenschaftsvermögen und hat das operative Geschäft ihrer Tochterfirma, der «ZEDEV Einkauf und Service AG» übertragen. ZEDEV reguliert die Zahlungs-Prozesse zwischen dem Schweizer Eisenwaren- und Haushaltsartikelhandel und seinen Lieferanten. Als Verrechnungsplattform deckt die ZEDEV das Delkredere-Risiko der Lieferanten gegenüber den Genossenschaftern ab. – Stephan Urwyler ist Geschäftsführer beider Einheiten.
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Stephan Urwyler ist seit November 2023 Geschäftsführer der Genossenschaft «Zentraler Eisenwaren-Einkaufs-Verband» (ZEEV) |
«Die Kernaufgaben des Handels werden sich wandeln. Die reine Fachberatung dürfte in Zukunft von KI erbracht werden, während das persönliche Einkaufserlebnis zur zentralen Kompetenz des stationären Handels wird.»
perspective: Herr Urwyler, Sie haben bei ZEEV und ZEDEV umfassenden Einblick in die Eisenwaren- und Haushaltbrache und hören damit das Gras an der Wurzel wachsen. Welche Entwicklungen sind im Gange?
Stephan Urwyler: Zunächst schreitet auch in unserer Branche die Firmenkonsolidierung voran. Kleine Detailhändler verschwinden oft wegen fehlender Nachfolge oder werden von einem grösseren Marktteilnehmer übernommen. Die grösseren Unternehmen wachsen organisch oder durch Zukäufe. Das führt bei ZEEV zu einem kleineren Mitgliederstamm mit tendenziell umsatzstärkeren Mitgliedern. Ferner wächst der Online-Handel. Reine Online-Händler haben aufgrund tieferer operativer Kosten einen Preisvorteil gegenüber dem stationären Handel. Den nützen sie mit günstigen Angeboten am Markt aus.
«Mit neuen Dienstleistungen wollen wir unseren Mitgliedern mehr Freiräume verschaffen, damit sie sich auf das eigentliche Geschäft konzentrieren können.»
Wo sehen Sie die Chancen des stationären Handels?
Wir müssen den Online-Handel sehr ernst nehmen. Persönlich bin ich aber fest überzeugt, dass wir den stationären Vertrieb als Ergänzung zum Online-Handel immer brauchen werden. Er muss sich aber anpassen und über persönliche Beziehungen, ein attraktives und direkt verfügbares Angebot vor Ort sowie den persönlichen Service differenzieren. Hierfür werden gut ausgebildete Mitarbeitende, welche auf den einzelnen Kunden eingehen, immer relevanter. Um sich in diesem kompetitiven Markt behaupten zu können, sollte jeder stationäre Handel auch ein gewisses Online-Angebot haben und sich zusätzlich über die verschiedenen Social-Media-Kanäle bekannt machen.
Nicht jedes kleine Unternehmen kann das stemmen!
Genau, hier kommt der Zweck von Genossenschaften und Verbänden zum Tragen. Miteinander ist vieles möglich, was ich allein kaum oder gar nicht schaffe! Vielen Einzelunternehmen fehlen das Know-how und die nötigen Ressourcen. Je länger ein Unternehmen die Digitalisierung seiner Prozesse vor sich herschiebt, desto mehr gerät es ins Hintertreffen. Zudem werden im Detailhandel im Laufe der Digitalisierung qualitativ gute und vollständige Daten immer wichtiger. Daten sind auch die Grundlage, um Prozesse zu optimieren und zu automatisieren.
Selbst die oft als Wundermittel gehandelte KI arbeitet schlussendlich mit Daten.
Ja! Weil KI ihre Schlüsse aus einer grossen Menge von Daten zieht und die wahrscheinlichste, treffendste Lösung vorschlägt, wird diese nur so gut sein, wie es die Qualität der Datenbasis erlaubt.
Was ist inhouse zu erwarten?
Wir werden unser ERP- und Kernsystem, also das vor vielen Jahren eigenprogrammierte IT-System zur zentralen Verrechnung, ablösen. Dabei wollen wir auch die Prozesse verbessern und, wo sinnvoll, automatisieren. Ausserdem wollen wir über das Verrechnungsgeschäft hinaus weitere Dienstleistungen konzeptionell vorbereiten. Unsere Mitglieder sollen durch die gemeinsame Beschaffung von Leistungen profitieren. Leistungen, die praktisch jedes Mitglied in irgendeiner Form benötigt, aber nicht immer zu kompetitiven Konditionen erhält.
Was heisst das konkret?
Es bestehen hierzu diverse Denkansätze, die wir aber noch detaillierter ausarbeiten und testen müssen. Dies können Beschaffungs-Dienstleistungen in den Bereichen Finanzen, Versicherungen, Informations- und Telekommunikation (ICT), Mobilität sowie auch bei der Artikeldatenaufbereitung und deren Bereitstellung sein. Dabei ist das übergeordnete Ziel immer, dem Gros unserer Mitglieder einen Nutzen zu schaffen und diese wettbewerbsfähiger zu machen. Natürlich geht es stets um die sinnvolle Integration der Leistungen in den bestehenden Branchenrahmen.
«Auch wir müssen und werden uns weiterentwickeln. Die Zukunft kann nicht heissen: Weiter wie bisher!»
Bestehender Branchenrahmen heisst?
Wir wollen passende Leistungen anbieten, zu denen unsere Mitglieder anderweitig keinen oder keinen wirtschaftlichen Zugang haben. Damit entwickelt sich die gesamte Branche weiter. Denn in einem überschaubaren Markt machen gleichwertige Parallelstrukturen keinen Sinn. Dafür sichern gleich lange Spiesse für alle den gesunden Wettbewerb innerhalb der Branche. Ich denke da insbesondere an unsere vielen mittleren und kleinen, lokal ansässigen Mitgliedsfirmen mit jeweils begrenzten Ressourcen. Ihnen wollen wir als Genossenschaft Hilfestellungen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit bieten.
Hier klingt wieder Ihr Credo für den stationären Handel an.
Durchaus! Wir sind als ZEEV-Genossenschaft organisatorisch und wirtschaftlich gut aufgestellt und wollen unseren Mitgliedern den Rücken auch in Zukunft bestmöglich stärken. Wir brauchen jedoch Mitglieder, die neuen, universellen Angeboten offen begegnen und diese mittragen. Denn nur gemeinsam sind wir stark und können Grundlagen schaffen, damit sich auch das stationäre Kleingewerbe gegen den nationalen und internationalen reinen Online-Handel behaupten kann. – Wichtig aber ist der Wille, die Branchenzukunft gemeinsam zu gestalten – ohne Futterneid und Gärtlidenken.
Vielen Dank für die Erläuterungen, Herr Urwyler!
ZEEV und ZEDEV – einfach erklärtDie Genossenschaft «Zentraler Eisenwaren-Einkaufs-Verband ZEEV» besteht seit 1907. Sie zählt rund 140 stationäre Eisen- und Haushaltswarenhändler als Mitglieder, die gleichzeitig Inhaber der Genossenschaft sind. Statutarischer Zweck ist die Stärkung von Kaufkraft und Leistungsfähigkeit der Einzelmitglieder. Durch die Bündelung der Interessen lässt sich eine stärkere Verhandlungsposition erzielen. So übernimmt die Genossenschaft die Zentralregulierung inklusive dem Delkredererisiko, was den Lieferanten Zahlungssicherheit sowie den landesweiten Zugang zu allen Mitgliedern gibt. Dieses operative Geschäft wird von der «ZEDEV Einkauf und Service AG» betrieben. Die ZEDEV ist seit 2023 eine 100%-Tochter der ZEEV. 1amnis ist eine Zahlungsplattform für internationales Banking (Anmerkung der Redaktion) |